dazwischen
Samstag, 19. April 2025

Privat vs. Politisch

Wir sitzen in unseren Schachteln, starren auf Bildschirme, wie Labortiere in einer sterilen, einzig mit dopaminausschüttenden Drogen ausgestatteten Umgebung, voneinander abgeschnitten, eine vorgespielte Verbindung, die Gefühle auslöst, ohne sie in lebendige (Inter)Aktionen umzusetzen, etwas, das Verbindung ausmacht, wo Reibung entstehen könnte, Feuer, Kälte, Geborgenheit, Trost, Verzweiflung oder Hass, und dann endlich: tiefe, wahre Liebe. Doch nein.

Die Gefühle werden generiert, durch die Vergesslichkeit der Masse, die kein Riskio eingehen will, sich alles mitteilt, ohne Grenzen, doch mit einer Schallschutzmauer dazwischen, die Gläser der Bildschirme, wie ein Geisteskranker, der jedem erzählt, was genau ihm fehlt, ohne dass je wer danach gefragt hätte, der keine Hemmungen kennt, alles posaunt, als wäre es allein schon Rettung genug.

Das Private ist politisch geworden, weil das Kommunikationsmittel und die dritte Macht im Staat begonnen haben, es zu mischen.

Uns ist klar, auf welcher Seite wir stehen: Der, der Unterdrückten, Ausgegrenzten, Unglücklichen und Verfolgten.

Den Anderen wiederum ist klar, dass sie auf Seite der Gewinner stehen möchten, koste es, was es wolle. Dass sowieso immer jemand Schuld trägt am eigenen Leid, nur man selbst, tja, die Unschuld vom Lande möchte man nicht sein, eher ihr schlechter Ruf, aber unschuldig ist man trotzdem, an allem.

Die Pole: 'Die Anderen sind die Bösen' und 'Ach mein Helfersyndrom, ich hab Dich so lieb. Kuckt, welch guter Mensch ich bin!'

Beiden ist gemein, dass sie etwas gründlich vermischen, dass tunlichst zu trennen wäre: Wenn ich auf einer persönlichen Ebene doch immer Mitgefühl haben kann, muss, will und werde, ist es meine Verpflichtung, mich als politische Person darüber hinweigzusetzen, und das Wohl des Gesamten über meine privaten Gefühle zu stellen. Wenn der Psychiater mit jedem Schizophrenen mitweint und durchknallt, war er nur kurz auf dieser Seite der Medaille daheim, kann in weiterer Folge auch nicht den abertausenden neuen Patienten, die ihn bitter brauchen würden, gebührend helfen.

Er sitzt dann im Netzbett neben seinem Patient 0, und sie erzählen sich gegenseitig Dinge über die Welt, die nun weder der Eine, noch der Andere, jemals wieder integrieren werden können, in das eigene Oberstübchen, beziehungweise der Kommunikation mit der Welt.

Unsere Politiker, alle zusammen, sind schlecht abgegrenzte Professionelle, die das zwar nicht aus einem Unvermögen heraus so handhaben, (wie es ja theoretisch vorkommen könnte, wenn jemand Sensibles sich einen sehr exponierten Beruf sucht, Notfallsantitäter zB. stelle ich mir, für mich, extrem schwierig vor, es reißt mich schon im Kino ordentlich her, wenn sich wer die Zehe am Tischbein stößt, im realen Leben reicht die Möglichkeit manchmal aus, um mich zu beuteln..) vielmehr aus einer Art, hauptsächlich monetärem und machtversessenem Kalkül heraus aneinander weiter vererbt haben, im Habitus, bis es nun, in diesen bitteren Zwanzigerjahren des nun etablierten Anthropozäns, leider endgültig State of the Art geworden ist: 'wir sprechen niedere und höhere Gefühle an, damit gewinnen wir die Gunst der Massen, aber wissenschaftliche Fakten und Verantwortungsbewusstsein, das heben wir uns in der Schublade ganz hinten auf, unter dem Stapel mit den Strafzetteln

vom Falschparken und den Gutscheinen für zehn Prozent Rabatt auf den Kaffee in der Kantine.

Wir sind Ratten, in unseren Käfigen, mit heroinverseuchtem Wasser, das wir der normalen Befriediung unseres Durstgefühls vorziehen, weil wir nicht verbunden sind, und zwar nicht unbedingt nur nicht miteinander, denn das mag sich ja anders anfühlen: Sie haben vielleicht viele Freunde und eine große Familie, oder eine kleine Familie, aber Menschen, die sie lieben und von denen Sie sich geliebt fühlen, auf eine angenehme Art und Weise, hoffe ich, nein, diese mangelnde Verbundenheit resultiert aus der verdrängten Tatsache, dass unsere Natur ziemlich leidet gerade, und wir die Schreie der aussterbenden Arten zwar nicht literally hören können, in all dem Auto- und Flugzeuglärm, der Lichtverschmutzung und dem Dreck, diese aber dennoch existieren. Sie sind ein Teil von uns, wir können ohne die Vielfalt nicht sein, wir sind die logische Folge der Evolution, quasi das Ende, die Spitze, gerade halt mal zufälligerweise jetzt in dieser Zeit (wird sich wieder ändern) aber wir bauen auf jeder einzelnen Spezies emotional auf. In gewisser Weise sind wir als Homo Sapiens eine psychische Summe der Lebewesen dieses Planeten. Und kürzen uns gerade die Summanden ordentlich weg.

Klingt abstrakt? Mein Job ist es, das in Worte zu fassen, denn ich kann es spüren. Wenn Sie nicht auch fühlen können, weil es nicht nur abstrakt, sondern absurd klingt, dann gehen Sie mal in sich, suchen Sie 'vom Aussterben bedrohte Arten' und sehen sich um. Vielleicht beginnen Sie zu fühlen, was ich damit sagen will.

Die verschwundene Verbundenheit ist auch der Fülle an Wissen geschuldet, über das wir mittlerweile verfügen können.

Wer zu Spartacus Zeiten von Afrika wenig wusste, war nicht dumm. Wer heute keine Ahnung hat, wo das billige Shirt hergestellt wird, welche Chemie in dem drei Euro Ding steckt, dass er 'ach was für ein Schnäppchen!' im Netz bestellt hat, ist nur ein niederer Angstellter im eigenen Geist. Wir alle wissen, eigentlich, und wir alle können es umsetzen, wenn wir uns das eingestehen.

Wer verbraucht den größten Teil der Energie, weltweit? Die Ausgebeuteten sind das nicht.

Wir sind nicht verbunden, weil uns eine gemeinsame Aufgabe mangelt. Etwas, an dem man wachsen könnte, wo es mal riskant ist, um alles geht. Leben und Tod.

Das in Watte und Kaschmir panierte Leben, es wird nicht halten, was es versprochen hat. Schmutzige Hände, Falten, fedriges Haar und Kleidung mit Löchern. Zu Fuss gehen, Käfer und Spinnen retten. Vögel füttern. Im Leben zweimal verreist sein, im Wald übernachtet haben. Statt Langeweile Sinn. Statt Drogen Liebe.

Ich weiß, was ich vorhabe. Werde den einen, kleinen Menschen retten, der mir heute gesagt hat, dass ihm nichts mehr Spaß macht, er das alles sinnlos findet, weil es so langweilig ist. Von oben bis unten langweilig. Der mir sagte, als mich ein schlechtes Gewissen geplagt hat, weil ich wem einen Wunsch abschlagen wollte 'Der macht sich auf jeden Fall, ganz sicher, Mama, viel, viel weniger Gedanken um Dich, als Du um ihn.'

Und ich wusste, er hat recht damit. Von den Leuten, die einem einreden wollen, sie würden 'sich Gedanken um einen machen!' aber keine einzige gesetzte Grenze respektieren können, lass ich mir nicht länger einreden, alle Menschen wären schlecht; weil ich ab nun mein Privatleben wie einen politischen Job behandeln werde. Jene, die -auf hohem Niveau unprofessionell- versuchen, mich zu Statisten in ihrem Gefühlskino zu machen, fliegen raus, hochkant, und die Menschen, die sich abzugrenzen in der Lage sind, auf sachlicher Ebene an etwas arbeiten, mit Witz und Esprit und Tatkraft, Menschenfreundlichkeit und Zuversicht, denen liefere ich eine, oder vielleicht sogar zwei, oder drei Utopien.

Und euch auch. Morgen, hoffentlich. Es wir gut, wartet ab!

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